The 2000 Sculpture
In den 1960er Jahren fing der US-amerikanische Künstler Walter de Maria (1935-2013) an, die Dimensionen des erweiterten Kunstbegriffs auszuloten. Im Verlauf seiner Karriere schuf er bedeutende Werke der Minimal Art, Land Art und Concept Art sowie im Bereich der Performance und war Drummer in der Rockband The Velvet Underground.
The 2000 Sculpture von Walter de Maria ist eine der grössten Bodenskulpturen weltweit. Sie gehört zu einer Serie von Werken, in welchen der Künstler stets neue Elemente in spezifischen Anordnungen gruppierte. The 2000 Sculpture besteht aus 2000 Gipsteilen von je 50 cm Länge und 18 cm Höhe. Die einzelnen Elemente sind trotz ihrer einheitlichen Grösse in ihrer Form unterschiedlich und weisen fünf, sieben oder neun Kanten auf. Sie sind auf einer Fläche von 500 Quadratmetern (10 x 50 m) in 20 Reihen à 100 Gipsteilen ausgelegt. Die Anordnung der Gipselemente folgt einem klaren Rhythmus, der sich nach der Anzahl der Kanten richtet: 5-7-9-7-5-5-7-9-7-5.
Trotz ihrer Grösse wird The 2000 Sculpture als Einheit wahrgenommen und schliesst den architektonischen Raum mit ein – die Kunsterfahrung wird so zur Raumerfahrung. Dass bei Walter de Marias monumentalem Werk der umgebende Raum genauso wichtig ist wie die Skulptur selbst, beschrieb der Kurator Harald Szeemann als eine «neue Qualität heutiger Skulptur, die nicht mehr Objekt sein soll, sondern den Umraum prägendes, erfüllendes Subjekt».
Die Rezeption der The 2000 Sculpture wird nebst dem Raum vor allem durch das Licht grundlegend beeinflusst. Walter de Maria legte daher zu Lebzeiten fest, dass die Skulptur nur bei Tageslicht gezeigt werden soll, um sicher zu stellen, dass die vielfältigen Weiss-Schattierungen und Schattenwürfe der Gipselemente, die sich je nach Sonnenstand und Wetter ändern, für Besucherinnen und Besucher jederzeit sichtbar sind. Dass das Wetter die Wahrnehmung der Skulptur verändert, stellt auch einen Bezug her zu de Marias Verbundenheit zur Land Art. Das Werk entfaltet sich nur durch eine zeitlich angemessene Rezeption: Die unterschiedlichen Ansichten der The 2000 Sculpture und deren Reihungen und Kreuzungen erschliessen sich den Betrachtenden erst im Abschreiten des Feldes.
Bereits 1977 wurde Walter de Maria durch seine wohl bekannteste Arbeit The Lightning Field weltberühmt. Auf einer Hochebene in New Mexiko errichtete er auf einer Fläche von 1 Meile x 1 Kilometer 400 polierte, in einem Rechteck angeordnete Edelmetallstäbe mit zugespitzten Enden. Die Anordnung der Metallstäbe wird von der Umgebung gerahmt und rahmt diese umgekehrt selbst. Licht und Wolken werden hundertfach auf den Edelmetallstäben gebrochen reflektiert. Der Titel des Werkes suggeriert, dass die Metallstäbe Blitze anziehen oder als Blitzableiter wirken. Die Besucher des Werkes werden ermutigt, so viel Zeit wie möglich vor Ort zu verbringen; sie können vor Ort in einer Blockhütte übernachten.
Im gleichen Jahr und anlässlich der Documenta VI in Kassel (1977) liess de Maria für The Vertical Earth Kilometer einen 1000 Meter langen und fünf Zentimeter starken Messingstab vertikal in die Erde versenken. Das obere Ende – die Kreisfläche des Durchmessers – ist in eine quadratische Platte aus rotem Sandstein eingebettet. Der grösste Teil des Werkes ist der Wahrnehmung der Betrachtenden also entzogen. The Vertical Earth Kilometer wurde zugleich der Minimal, der Concept und der Land Art zugeordnet und ist somit gleichzeitig Teil der drei wesentlichen künstlerischen Bewegungen der 1970er Jahre.
The 2000 Sculpture vereint viele grundlegenden Elemente von Walter de Marias Arbeit: Die Permutation ähnlicher Elemente und die Auseinandersetzung mit mathematischen Formen, dem Raum, dem Licht und der Zeit. Im Unterschied zu seinen anderen Arbeiten verwendet der Künstler für die The 2000 Sculpture jedoch nicht Module aus Messing, Edelstahl oder Stein, sondern aus Gips.
Der Titel des Werkes spielt einerseits auf die damals noch bevorstehende Jahrtausendwende an und benennt andererseits die Anzahl der in der Skulptur enthaltenen Module. Walter de Maria interessierte sich zeitlebens für extreme Erlebnisse und Wendepunkte der Menschheitsgeschichte und setzte sich entsprechend intensiv mit dem historischen Moment der Jahrtausendwende auseinander. Walter de Maria wollte diesen besonderen Zeitpunkt künstlerisch aufarbeiten, markieren und dafür ein monumentales, dem Anlass vollumfänglich entsprechendes Werk schaffen.
Thomas und Cristina Bechtler lernten Walter de Maria während der zehnjährigen Vorbereitungsphase für die erste Ausstellung der The 2000 Sculpture im Kunsthaus Zürich kennen; bald entwickelte sich eine enge Freundschaft. Als Präsident der Zürcher Kunstgesellschaft setzte sich Thomas Bechtler persönlich dafür ein, die The 2000 Sculpture für die Sammlung des Kunsthauses Zürich anzukaufen und das Werk periodisch alle fünf bis zehn Jahre auszustellen. Als dies nicht gelang, entschieden sich Thomas und Ruedi Bechtler die The 2000 Sculpture für die Walter A. Bechtler-Stiftung anzukaufen.
Nach der ersten Ausstellung der The 2000 Sculpture im Kunsthaus Zürich im Jahr 1992 wurde die Skulptur in den Ausstellungszyklen von 1999/2000 und 2021/2022 noch weitere zweimal im grossen Wechselausstellungssaal des Kunsthauses Zürich gezeigt. Ebenfalls im Jahr 2000 wurde das Werk zudem im Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart in Berlin gezeigt. Für eine weitere Ausstellung im Los Angeles County Museum of Art (LACMA) reiste die 2000-teilige Skulptur im Jahr 2012 sogar quer über den Atlantik an die Amerikanische Westküste.
Da es weltweit nur sehr wenige säulenlose Museumsräume mit ausreichend Platz zur Beherbergung von The 2000 Sculpture gibt, setzten sich Thomas und Cristina Bechtler zum Ziel, in der Schweiz einen Ort zu schaffen, an dem die Skulptur permanent ausgestellt werden kann. Nachdem ein erster Versuch, die Skulptur dauerhaft im Engadin auszustellen, scheiterte, brachte Walter de Maria das damals gerade entstehende Zellweger Areal in Uster als möglichen Standort ins Spiel. Als Vertreter der Walter A. Bechtler-Stiftung initiierten Ruedi und Thomas Bechtler damals das Projekt für einen entsprechenden Neubau auf dem ehemaligen Areal der Zellweger-Luwa. Ende 2021 wurden die Bauarbeiten der Bechtler Stiftung abgeschlossen und kurz darauf konnte die The 2000 Sculpture als Herzstück der neuen Ausstellungsräume installiert werden.